Salsa, Jazz & Balkan-Suite
15. Oktober 2003
 

Der Bassist und Komponist Branko Arnšek.
Wenn Branko Arnšek in Moskau oder St. Petersburg unterwegs ist, erkennen ihn die Leute auf der Straße
und zücken Zettel und Stift, um ein Autogramm zu ergattern. Aber auch in vielen anderen Teilen der Welt ist der renommierte Jazz-Bassist und „Salsa-König“ bekannt und begehrt.
Die Verbindung zur Musik brachte Arnšek, der als Einwandererkind der ersten Generation aus dem slowenischen Celje nach Deutschland kam, mit ins neue Land: „Mein Vater hatte ein Tanzensemble, ich besaß ein Tonband und konnte natürlich alle Schlager auswendig“, sagt Arnšek und lacht. Tapfer quälte er sich durch diverse Klavierstunden, doch so richtig sprang der Funker nicht über. „Aber mit 15 Jahren habe ich den Jazz gefunden und mich wieder an das Klavier erinnert.“ Leider – oder zum Glück? – war die Warteliste für Klavierunterricht in der Musikschule viel zu lang. Frei Plätze gab es dagegen beim Bass. Bingo!
Trotzdem versuchte sich Branko Arnšek schön solide erst einmal an einer Ausbildung als Glasmaler. „Aber ich erkannte schnell, dass Musik das war, was ich wirklich machen wollte.“ Mit dem Studium an der Universität von Bern, der Hochburg der Jazz-Musik, begann für Arnšek eine stressige Zeit: Jobben als Musiker, studieren und darüber hinaus den Spagat zwischen Familie und Berufung bewältigen.
Quasi nebenher lernte der vielseitig begabte Autodidakt perfekt Spanisch, durchwanderte das ehemalige Jugoslawien zu Fuß („um zu erfahren, wo ich herkomme“) und gründete vor über 20 Jahren das erste Salsa-Ensemble in und um Stuttgart. Wawanxo nannte es sich, und die kubanischen Rhythmen rissen die Leute schnell von den Sitzen. „Im Restaurant Locanda tanzten die Leute auf den Tischen und vor dem Lokal und blockierten den Parkplatz“, erinnert sich Arnšek an einen der ersten Auftritte. Mit der CD The White Diamonds mit seinem Modern Jazz Ensemble, zu dem Musiker wie Vladimir Bolschakoff gehören, gesellte sich zum Salsa auch bald der erste richtige Jazz-Erfolg.
Seit diesen Anfangsjahren gibt es in musikalischer Hinsicht nichts, das Branko Arnsek nicht erfolgreich ausprobiert hätte. Er zieht Musik-Projekte mit internatiopnalen Künstlern wie dem Tabla-Musiker Udaj Mazumdar auf, spielt in der Sinti-Jazzband Zigeli Winter Quintett, macht Sessions mit Plattenpapst Jöak und tritt unter anderem mit dem serbischen Pianisten Rade Soric und dem kroatischen Saxophonisten Drazen Drenski auf.
Seiner ersten Liebe, dem Jazz, bleibt Branko Arnšek dabei stets treu: „Für die heutige Musik ist Jazz der beste gemeinsame Nenner aller Musikrichtungen und die beste Theorie, die ich bis jetzt gesehen habe.“ Stuttgarter Berühmtheit erlangte der Jazz-Tearoom, den Arnsek, unterstützt vom querflötespielenden Star-Koch Vincent Klink mit einigen Musikern ins Leben rief. In unkonventioneller Atmosphäre – zum Beispiel in einem Piano-Laden – treffen sich hier die Jazzer mit ihrem Publikum zu einem spontanen Jazzfest im Kleinen. „Wir gehen auf die Bühne ohne zu wissen was wir spielen werden“, beschreibt Arnšek den experimentellen Charakter solcher Projekte. Es geht um das Experiment, um die Freiheit Musik als Kunst machen zu können.“
Um junge Künstler aller Musik-, Experimentalrichtungen und Kulturen unterstützen zu können, hat er zudem den Förderverein Musicians Network ins Leben gerufen. Und getreu dem Motto: „Musik ist Kunst, aber in zweiter Instanz lässt sich daraus natürlich auch eine kommerzielle Sache entwickeln“, hat er seine eigene Plattenfirma: 59music – wobei die Zahl 59 für Arnšek‘s Geburtsjahr steht.
An neuen Projekten und Ideen scheint es dem passionierten Bassisten und Komponisten niemals zu mangeln. Derzeit schreibt er an einer Balkan-Suite für Orchester und unterrichtet als Dozent an der Musikschule Stuttgart. Und wenn man ihm zuhört, wie er mit Begeisterung über sibirische Obertongesänge, japanische Gongs und arabische Naturtonmusik erzählt, dann versteht man, warum er Musiker werden musste.
Geheiratet hat Branko Arnšek übrigens vor kurzem auch – und, wie sollte es anders sein, seine Frau ist ebenfalls Musikerin. Und zwar nicht irgendeine, sondern DIE kubanische Sängerin, Yaqueline Castellanos, die „Große Dame des Son“. In ihrer Heimat ist Yaqueline längst ein Star und hat mit dem Titel Como me ha insultado auch die Hitparaden in Miami, San Francisco und New York gestürmt. Für einige CDs haben Legenden wie der jüngst verstorbene Compay Segundo die Begleitmusik gemacht. Unter dem Bandnamen Tokame arbeiten Branko Arnšek und sie an einer gemeinsamen CD.
Genug Arbeit für ein ganzes Jahrzehnt, sollte man meinen, aber Branko Arnšek wäre ja kein Vollblutmusiker, wenn er nicht auch schon einen Wunsch für die Zeit danach hätte: „In einem arabischen Ensemble Bass spielen – das wär´s!“
Nina Blazon, Interkultur Stuttgart, 10/2003 

BRANKO ARNSEK 

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