BRANKO ARNSEK
MUSIKER - KOMPONIST - PRODUZENT - DOZENT
Salsa aus Sindelfingen
106 - 107
Pop vor Ort
Lokalmatadoren mit Ambitionen - die Sindelfinger und Böblinger Rockszene in den 1970ern und darüber hinaus
Im Jugendhaus Sindelfingen machte auch Branko Arnsek erste Erfahrungen mit Rockmusik. Der Pianist (Jahrgang 1959), der ein Hohner Clavinet spielte, traf sich dort mit anderen Musikbegeisterten im Probenkeller zu Jamsessions. Unter den jungen Amateuren befand sich der Schlagzeuger Lutz Groß, mit dem er seine erste Band gründete. Das Quintett plus One war keine konventionelle Rockband, sondern mit Trompete und Geige vom damals aktuellem Jazzrock eines Chick Corea oder der Gruppe Weather Report inspiriert. Die Band probte auf dem Dachboden über der alten Bibliothek in der Böblinger Altstadt, brachte es aber nur zu wenigen Auftritten.
Der Teenager, aus einer slowenischen Einwandererfamilie stammend, erweiterte seinen musikalischen Horizont, in dem er zusätzlich noch das Spiel auf dem Kontrabass lernte, weil es immer einen Mangel an Bassisten gab und er zuvor oft mit der linken Hand am Clavinet den Bass zu spielen gezwungen war.
Das Quintet plus One fiel auseinander, als Arnsek eine Lehre in der hessischen Stadt Hadamar begann. Dort wurde er Opfer eines Verkehrsunfalls, lag vier Tage im Koma und kehrte danach zur Genesung für drei Monate nach Sindelfingen zurück, wo er sich wieder in die Musikszene im Jugendhaus einklinkte. Bald formierten sich die Klangwerker, eine Band mit zwei Sängerinnen, die Reggae und Funk á la Herbie Hancocks Headhunters spielte. Einige der Musiker beherrschten wie Arnsek mehrere Instrumente, weshalb es währen der Auftritte laufend zu fliegenden Wechseln kam.
Inspiriert von der Neuen Deutschen Welle startete der Bassist 1980 mit dem Gitarristen Michael Müller eine Band namens Gruhf 4, die sich an Police und Ideal örientierte, wobei die beiden eigene Songs mit deutschen Texten schrieben. In einer WG lernte Arnsek Musiker aus Lateinamerika kennen und begann sich durch sie für Salsa zu interessieren. 1982 hob er mit US-Amerikanern und einem Sänger aus Peru die Gruppe Wawanxo aus der Taufe, "eine der ersten Salsabands in Deutschland" überhaupt.
Der Auftrittsradius vergrösserte sich mehr und mehr. Wawanxo trat am Bodensee auf oder in der Kulturpinte Vier Peh in Esslingen. Mit der Gruppe Connexión Latina des Posaunisten Rudi Füssers stand man im engen Kontakt, wobei man sich gegenseitig mit Musikern aushalf, wenn Not am Mann war. Die Aktivitäten der Gruppe ließen erst etwas nach, als Arnsek 1986 ein Jazzstudium in der Schweiz begann. An der Musikhochschule in Bern wurde er von Jimmy Woode unterrichtet, der einst bei Duke Ellington Bass gespielt hatte. Ein ganzer Tross von Musikstudenten aus Sindelfingen, Böblingen, Stuttgart und Herrenberg, darunter der Pianist Martin Johnson und der Gitarrist Philipp Konowski (beide von Chickenfarm) fuhr am Montag zum Studium nach Bern, um in der zweiten Wochenhälfte bereits wieder für Konzertauftritte nach Sindelfingen zurückzukehren. Heute ist Arnsek als Profimusiker und Instrumentallehrer in Stuttgart tätig, wo er weiterhin mit diversen Bands seine Liebe zur kubanischen Musik pflegt.
Von ABBA bis ZAPPA
von Christian Walter