JAZZ AN DER SCHULE
Projekttag mit einem Team studierter Jazzmusiker
GESCHICHTLICHE ENTWICKLUNG
des JAZZ
mit Fokus
auf Deuschland
1918 - 1933
In der Zeit nach dem 1. Weltkrieg, als die Siegermächte beschlossen Deutschland müsse Agrarstaat bleiben und dürfe nicht an der Kulturentwicklung der Welt teilhaben, konnten sich die Modetänze der Zeit doch einen Weg von Amerika nach Deutschland bahnen und die Jugend mit Tänzen wie Onestep, Twostep, Foxtrott, Shimmy, Charleston, Black Bottom und dem Swingtanz Lindy Hop beglücken. Die eher konservative Einstellung der Obrigkeit sowie deren Attitüden und Verordnungen zum sittlichen Gesellschaftstanz waren zwecklos.
1933 - 1945
Erst die Machtergreifung Hitlers verschärfte die Ressentiments und Maßnahmen gegen den Jazz der damaligen Zeit. Schon 1930 veröffentlichte der Thüringer Volksbildungs- und Innenminister der Nazionalsozialisten Wilhelm Frick einen „Erlaß wider die Negerkultur für deutsches Volkstum“.
Am 12.10.1935 zum Beispiel verkündete Reichssenderleiter Eugen Hadamovsky das „endgültige Verbot des Niggerjazz für den deutschen Rundfunk“.
Allerdings mussten wegen der Verträge deutscher Verlage mit Amerika auch nach 1933 Jazztitel in Deutschland veröffentlicht werden. Oft wurden diese mit deutschen Texten versehen. Auch wurde Jazz aus Deutschland in die USA exportiert. Die sogenannten „Swing Kids“ waren Jugendliche Jazzfans die zu einer Gegenbewegung im Nazideutschland wurden und teils in Konzentrationslager verbannt wurden. Die Nazionalsozialisten konnten jedoch das Swingfieber in der jungen Bevölkerung und bei den Soldaten nicht ausmerzen, im Gegenteil, der Jazz gewann um so mehr Fans je mehr er verboten wurde.
1945 - 1951
Nach dem Krieg konnten auch die in den neuen regionalen Rundfunkanstalten gebildeten Tanzorchester den Jazz endlich bedenkenlos aufführen. Sänger wie Bully Buhlan, Catharina Valente oder Gerhard Wendland traten mit dem Radio Berlin Tanzorchester auf und verbreiteten deutschsprachige Swingmusik. Als jedoch der Rock´n Roll auf der Weltbühne in Erscheinung trat war es schnell mit der Massenverbreitung des Swing vorbei. Die Nähe zum Swing verhalf dem Rock´n Roll zu einer schnellen Einvernahme der Jugend, wobei es dieses mal eher um eine Rebellion der Jugend gegen die „Alten“ ging. War der Swing in der NS-Zeit ungewollt zum Politischen Faktor geworden wurde es nun Gesellschaftspolitisch.
Der Bebop, der in den 40er Jahren die Amerikanischen Jazzfans in die Clubs gelockt und einen Hipe um die Jazzmusiker hervorgebracht hatte wurde in Deutschland eher peripher wahrgenommen. Die zum Teil noch heute existierenden Jazzclubs die nach dem Krieg entstanden sind hatten allerdings immensen Nachholbedarf und holten die Stars die sie kriegen konnten nach Deutschland.
Einer der Mitbegründer des SWR in Baden-Baden 1945 war Joachim-Ernst Behrendt. Die Jazzredaktion leitete er dort 40 jahre lang und war maßgeblich verantwortlich für die Verbreitung des Jazz in Deutschland. Auch fanden einige Jazzfestivals unter seiner künstlerischen Leitung statt (Amerikan Folk and Blues Festival, Berliner Jazztage, Free Jazz Meeting Baden-Baden).
1951 – 1970
1951 gründete Erwin Lehn, zuvor Pianist im RIAS Tanzorchester, das Südfunk Tanzorchester in Stuttgart. Kurt Edelhagen leitete ab da das Tanzorchester für den Südwestfunk. Bezeichnenderweise richtete der SDR 1955 unter der Leitung des Jazzjournalisten Dieter Zimmerle und des Pianisten Wolfram Röhrig die Sendung „Treffpunkt Jazz“ ein. Allerdings dominieren die Beatles zwischen 1960 und 1970 den Musikmarkt mit ihrer Popmusik. Dadurch wurde der Jazz endgültig zur Nischenmusik. Das Fernsehen hielt jedoch mit Mitschnitten von Jazzkonzerten dagegen. Der Jazz wurde zur Musik für das Bildungsbürgertum.
1970 - 1980
Das Album „Bitsches Brew“ von Miles Davis läutet eine neue Epoche im Jazz ein. Die Musikinstrumentenindustrie erschuf durch die Erfindungen elektrisch verstärkter Instrumente und den Effekten völlig neue Klangmöglichkeiten. Miles Davis, wohl der auch kommerziell erfolgreichste Jazzmusiker überhaupt verstand es immer dem Zeitgeist zu folgen. Er verpflichtete in seiner Band die jungen Jazzmusiker mit ihren Einflüssen aus aktueller Pop-, Funk- und Rockmusik. Hatte doch im Vorjahr 1969 doch das legendäre Woodstock-Festival stattgefunden und die Rockmusik zur Ikone einer neuen Jugendbewegung erkoren. Dieser Hype brachte unzählige Jazzrockbands neben den Headlinern wie eben Miles Davis, Headhunters, Softmachine, Mahavishnu Orchester, Wheather Report, Return to forever etc. auch in Deutschland z.B. das United Rock & Jazz-Ensemble, Passport und Embryo hervor. Amon Düül oder Popol Vuh waren eher experimentelle Rockbands, da sich das Können der Musiker dann doch nicht mit der Virtuosität derer in den Rockjazzbands messen lies.
1980 – 1990
Durch den Einfluss der aufkommenden Soul- und Funkmusik wurde auch die Musik der Jazzbands entsprechend beeinflusst. Die Bands Defunkt, Jazz Passangers und Slickaphonics sowie auch Musiker wie Greg Osby, Gary Thomas, mischten Rap, Funk und Soul mit Jazz. Als die Musiker um Steve Coleman durch das deutsche Label JMT (Jazz Music Today) von Stefan Winter vermarktet wurde richtete sich das Augenmerk auf die neue Avantgarde in Amerika. Diese hatte in der Knitting Faktory in New York ein Forum gefunden. Eine Rückbesinnung zur akustischen Musik findet statt.
1990 – 2000
Der HipHop ist prägend für diese Jahre. In Deutschland erlangte die deutsche HipHop-Band „Die fantastischen Vier“ 1992 ihren ersten Charterfolg. Das Album „Stolen Moments: Red Hot + Cool“ aus dem Jahr 1994 vereinte HipHop-Künstler und Jazzmusiker. Auch in Deutschland beschäftigen sich die Jazzmusiker vermehrt mit dem neuen Genre. Jazzkantine von Gunter Hampel sowie Tab Two mit Joo Kraus und Wolfgang Hattler sind zwei Beispiele für erfolgreiche Produktionen deutscher Jazzmusiker. International hießen die Bands Incognito, The Brand New Heavies, Galliano, Us3 etc. Der neue prägende Begriff für diesen Musikstil hieß Acid-Jazz oder auch Hip-Jazz.
2000 – 2010
Dieses Jahrzehnt ist geprägt vom Revival des Mainstream. Durch eine neue Generation an Musikern, Veranstaltern und Jazzinteressierten wird der Jazz neu entdeckt. Shooting Stars wie Jamie Cullum oder Esperanza Spalding sorgen für eine Akzeptanz bei einem jungen Publikum. Der Rundfunk unterstützt das Genre so gut wie nicht, der Dudelfunk ist omnipräsent und die Menschen die eine Alternative dazu suchen werden zuerst im Mainstream fündig. Junge Musiker haben kaum eine Chance, da durch den Einbruch der CD-Verkäufe und die Dominanz der drei großen Labels (Warner, Sony, Universal) die Musiklandschaft nur noch dem finanziellen Überleben gewidmet und für Nischenprodukte oder Experimente kein Platz ist. Die öffentlichen Sendeanstalten sind zu Zulieferern von Tantiemen für die Majors avanciert. Daher auch die antiquierten Sendeformate um eben die gewinnbringenden Label-eigenen Produktionen zu postieren. Die Programm-macher sind da natürlich involviert. Eine Ablichtung der hiesigen Musiklandschaft, wie im Staatsvertrag festgelegt, findet nicht statt.
2010 – heute
Das Swingfieber ist wieder da. Die Swingtanzschulen sprießen formlich aus dem Boden und bei Tanzveranstaltungen von durchweg jungen Besuchern spielen sogar Livebands. Spätestens seit dem Electro-Swing-Titel „We no speak americano“ der Band „Yolanda be cool“ aus Australien im Jahr 2010 ist Swing wieder massentauglich.
Addendum:
Im Mittelalter wurde das Intervall Terz noch als Teufelswerk bezeichnet. Dies geschah sicher aus Gründen der Manipulation und Einschüchterung. Im späten Mittelalter dann gab es strenge Regeln beim Musizieren. Erst die Renaissance brachte neben der Aufklärung auch die Mehrstimmigkeit in die Musik. Johann Sebastian Bach kümmerte sich nicht um die Regeln sondern bediente die harmonischen Möglichkeiten dermaßen virtuos und gekonnt, dass in den nächsten Jahrhunderten dies als Status quo galt. Erst Anfang des letzten Jahrhunderts begannen die Musikschaffenden neue Wege zu gehen und der polyphonen Dreistimmigkeit weiter Töne hinzuzufügen. Gesellschaftspolitisch wurden gerade die Monarchien demontiert und durch demokratisch geführte Nationalstaaten ausgetauscht. Dass die Erfindung des Jazz, der Improvisation, einer Musik der „mehr als Dreistimmigkeit“, in diese Zeit fällt, ist gesellschaftspolitisch relevant. Fordern doch mehr Dissonanzen mehr Toleranz.